Goldene Bulle und Städtehanse

  • Für die weniger geschichtssüchtigen: Der Goldene Bulle ist nicht das, was die Israeliten angebetet haben, während Mose sich auf dem Berg Sinai die zehn Gebote abholte. Die Goldene Bulle ist so mit das wichtigste Verfassungsdokument des Heiligen Römischen Reiches. Sie wurde im Jahr 1356 verkündet, und zwar in zwei Teilen, der eine am 10. Januar, der andere am 25. Dezember. In ihr wurde unter anderem die Bildung von Städtebündnissen verboten. Ich habe aber nicht herausfinden können, ob dies im ersten oder zweiten Teil ist.
    Im gleichen Jahr, nur in Lübeck statt in Nürnberg und Metz fand der erste Hansetag statt, an dem sich die Hanse offiziell als Städebündnis formierte - vorher war sie eher ein Bündnis von Kaufleuten, die natürlich in den Städten eine Menge zu sagen hatten.


    Nun bin ich ein dummer Physiker und kein Verfassungsgelehrter und Geschichtskundler. Daher stellt sich für mich die Frage:
    * War die Gründung der Hanse bereits ein Verstoß gegen die Goldene Bulle, so nach dem Motto, daß man dem Kaiser möglichst schnell zeigen will, wie ernst man ihn nimmt, oder
    * Hatten die Hansestädte von dem dohenden Verbot (das dann aber wohl erst im zweiten Teil der Bulle steht) Wind bekommen und schnell noch vollendete Tatsachen geschaffen, oder
    * Hatte die Gründung der Hanse das Verbot initiiert?

  • In Sachen mittelalterlicher Reichsgeschichte bin ich zwar auch nur Dilettant, dennoch will ich kurz meinen Senf dazugeben.


    Soweit ich das verstanden habe, richtet sich das Verbot von Bündnissen innerhalb des Reiches primär gegen solche militärischen Charakters, eben um zu verhindern, dass eine Macht entstehe, die den Kaiser und insbesondere die Kurfürsten bedrohen könnte. Denn die Goldene Bulle ist ja vor allem auch ein Sieg der Kurfürsten, die damit ihre Stellung festigen und den politischen Einfluss der aufsteigenden Reichsstädte dauerhaft beschränken konnten.
    Ein durch die Goldene Bulle verbotener Bund war etwa später der Schmalkaldische Bund (mit entsprechenden Konsequenzen). Die Hanse scheint sich hingegen niemals als ein Bündnis in diesem Sinne verstanden zu haben, auch der Kaiser sah sie wohl nicht als eines an. Tatsächlich war er ja für das Reichsgebiet auch im Wesentlichen ein Wirtschaftsbund, die gemeinsamen militärischen Aktionen lagen eben außerhalb des Reichsgebietes und waren damit nicht von dem Verbot betroffen.
    Über konkrete Auslöser des Bündnisverbots kann ich nur spekulieren. Ich vermute aber, dass hier weniger die Hanse als Rheinische Städtebund gemeint war, da dieser den Kurerzbischöfen von Mainz, Trier und Köln sehr viel bedrohlicher werden konnte als die auf Norddeutschland und Küstenregionen fokussierte Hanse.

  • Builder, erspare mir bitte eine Auflistung. Zum Reich gehörte das heutige Deutschland, Belgien und die Niederlande. Die heutige Ostküste Polens gehörte um 1350 im Westteil zum HRR (Heiligen Römischen Reich), im Ostteil zum Deutschen Orden. Pommern ist allerdings erst im 12. Jahrhundert an das HRR gekommen. Das Deutschordensgebiet (Baltikum) gehörte nie zum HRR, obwohl da, viel Deutsch gesprochen wurde. Die Grenze zu Dänemark verlief zu dieser Zeit zwischen Schleswig und Holstein.
    Zu beachten ist aber tatsächlich, daß die "Faktoreien" und "Kontore" im Spiel tatsächlich keine Hansestädte waren, sondern nur mehr oder weniger große Niederlassungen der Hansekaufleute hatten. In England, Dänemark, Norwegen und Rußland gab es keine Hansestädte, Schweden hatte zwei (Visby und Stockholm).

  • Alles in Allem kann man also sagen, dass sich die Ascaronis wirklich gewissenhaft informiert haben, bevor sie ihr Spiel programmiert hatten. :170: Bis auf die Entdeckung Amerikas und die "gefürchteten Piraten" dürfte also eigentlich so gut wie alles historisch genau bzw. relativ genau sein.


    Edit: Ach ja, Ladoga gibt es nicht, zumindest nicht dort, wo es auf der P2-Karte ist (nahe St. Petersburg). Die einzige Stadt, die in Frage kommt, liegt am Unterlauf der (des?) Wolchov, kurz vor der Mündung in den Ladogasee.

  • Die Geographie auf der Karte ist sowieso lustig. Elbe und Weser kreuzen sich und es gibt viele andere Klöpse, an die ich mich nicht erinnere. Aber die Struktur, Hansestädte, vier Kontore in London, Brügge, Bergen und Nowgorod und dann die Faktoreien ist schon alles sauber. Nur schade, daß Venedig nicht dabei ist, da gab es nämlich auch eine Faktorei. Und ich möchte verdammt noch mal wissen, ob das die Fondaco dei Tedeschi ist.

  • Noch mehr Senf...


    ... eigentlich heißt das ja Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, aber das ist ja nicht so wichtig.


    Unsere Stadt Attendorn ist übrigends auch eine Hansestadt, Stadtrecht 1222 erworben. Gegründet an der Kreuzung zweier Handelsstraßen nach Köln und Dortmund.
    Dann gibt es hier auch noch den größten Stausee in NRW und die größte Tropfsteinhöhle Deutschlands.

  • Das "Deutscher Nation" ist erst später dazugekommen. Die ursprüngliche Idee war tatsächlich, das gesamte christliche Abendland in einem Reich zu vereinigen einerseits in der Nachfolge des (West-)Römischen Reiches, andererseits wohl auch als das Reich Gottes. Da hat die Beschränkung auf die Deutschen wenig Sinn.

  • So, ich habe mal als Hobbyhistoriker mal ein wenig nachgeforscht...


    Vorweg wegen der Karte und der lustigen Geografie. Die Ascaronis haben da eine Originlakarte aus dem Jahr 1250 genommen. In einem Buch habe ich quasi die selbe Karte. Na ja, man nahm damals so einiges nicht wirklich genau... ;)


    Die Hanse an sich enstand aus einer reinen Handelsbeziehung von einflussreichen Händlern. So gegen Ende 1280 rum begann das Ganze allmählich die Form eines reinen Schutzbündnisses anzunehmen. In diversen Verträgen und Abmachungen entstand nun allmählich die Hanse mit Ihrem Rat und dem Eldermann an der Spitze. Dieser hatte jedoch keine wirklich Macht an sich, denn er war immer von Beschlüssn des Rates abhängig. Sprach sich dieser gegen den Willen des Eldermannes aus, dann hatte er Pech gehabt. Auch kam es hier regelmäßig zu regelrechten Eldermannstürzen.
    Das Bündniss an sich war ziemlich locker geflechtet und richtete sich hauptsächlich auf den Schutz der Handelswege zu See und zu Land. Gefürchtete Piraten (es gab auch noch viele andere neben Störtebecker) und Räuberbanden zu Lande machten damals die Handelswege nicht sonderlich sicher. Bemerkenswert ist auch, daß hinter einigen Piraten einflußreiche Kaufleute steckten.
    Die Hanse an sich war auch ziemlich zerstritten in vielen Dingen und auch der Konkurenzgedanke war sehr hoch. Allzuoft gabe es daher entsprechende Streitigkeiten. Diese Streitigkeiten führten oft zu regelrechten Kriegen zwischen 2 Städten (+ evtl. verbündete Städte). Auch wenn es den Kaperbrief an sich erst später gab, so kann man doch vom Prinzip her davon sprechen, daß einige Städte auf ähnlich Art Piraten beauftragten Schiffe des Gegners zu kapern.


    Im Heiligen römischen Reich deutscher Nation war nicht der Kaiser (also die Habsburger) die Macht an sich. Mächtigstes Instrument war die so genannte Reichsacht. Diese bestand aus Königen und Kurfürsten innerhalb des heiligen römischen Reiches. Allerdings hatten di Habsburger natürlich diese Reichsacht meistens in der Hand, die Habsburger halt ...! ;)
    Zumindest der Teil der Hanse, welche geografisch auf dem Gebiet des Heiligen römischen Reiches lag, fiel als rechtlich unter die Fittiche des JKaisers und der mächtigsten Landesfürsten.
    Der bereits von Swartenhengst genannte schmalkadische Bund war ein Bündnis, welches sich klar gegen den Kaiser stellte und daher verboten war / wurde usw.
    Die Hanse an sich erstreckte sich nun nicht ausschließlich auf das Herrschaftsgebiet des deutschen Kaisers. Voralem aber wurde die Hanse als keine politische Bedrohung angesehen und es stand, mal von wenigen widerspenstigen Städten, welche sich aus verschiedenen Gründen mal klar gegen den Kaiser stellten abgesehen, niemals zur Debatte die Hanse zu verbieten oder gar zu bekämpfen.
    Vielmehr war die Hanse eine viel zu lukrative Angelegenheit und es bediente sich an ihr alles was im Reich von Rang und Namen war, einschließlich des Kaisers.
    Auch waren diverse Landesfürsten und diverse Ritterorden eng mit der Hanse verflechtet.

    Nur der Pirat ist der wahre Händler, denn nur er hat alle Möglichkeiten (business is war !!! ;) :P

  • Ich hab mal in einer Fernsehdoku gehört die Hanse sei in Visby entstanden. Da haben sich einige Händler zusammengeschlossen und wir wissen ja was draus geworden ist.

  • Ich denke das die Hansestädt zwar technisch zum HRR gehörten aber nicht wirklich kontrolliert wurden. Das Reich spielte sich so weit Nördlich keine große rolle. Eine intressen lagen immer im Süden. Da die Hanse auch als kreditgeber z.B. für EduardIII von England auftrat ist zu vermuten das auch die Deutschen Kaiser jede mnge geld geliehen haben um Ihre Italienischen Abendheuer zu bezahlen. Die Freien Städte waren damals relativ unabhängig. Es bestand imho ein Konsens der Gegenseitigen nichteinmischung.

    Niemand braucht ein einfaches Spiel! Ein gutes Spiel reicht!


    Für die Dunkle Seite! Auch Piraten wollen Handeln!

  • Auch auf die Gefahr hin als Nestbeschmutzer zu gelten ;)
    aber ich finde es passend an dieser Stelle anzumerken dass die Hanse, ganz besonders im Ostseeraum, von der Bevölkerung alles andere als positiv gesehen wurde. Mit ihrer Handelsmacht diktierte sie den örtlichen Händlern die Preise und wenn die Städte nicht spurten wurde schon mal mit der Kanone nachgeholfen. Das Auftreten der Hanse dort war sehr oft politisch motiviert und klar eigennutzorientiert.

  • Die bevölkerung war damels höchstens eine Stadt. Und immer derjenige der Draufgezahlt hat war sauer. ;)


    Die hanse wudrde zu schutz deuscher Kaufleute im ausland gegründet. Schon damals waren gewinne wichtiger als soziale Ambitionen. :P

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  • Kommt mir aktuell gesehen alles ziemlich bekannt vor ...


    Globalisierung, USA und naher Osten ... ?( ;) :D

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  • Builder
    Zur Zeit, wo der deutsche König noch mehr als seine eingene Hausmacht kontrollierte, waren zur Zeit der Hanse vorbei. Das HRR war zu einem guten Teil auf eher freiwilliger Basis zusammen, weil vor allem Frankreich, aber auch Schweden, die Türken etc. zu aggressiv waren (und einige andere es liebend gerne gewesen wären), um auf die Truppen der anderen deutschen Staaten zu verzichten. In sofern spielte das HRR allerdings auch in Norddeutschland eine Rolle, einerseits als Militärbündnis, andererseits aber auch als eine Institution, die die Konflikte zwischen den deutschen Staaten dämpfte.
    Viele Hansestädte waren freie Reichsstädte, sie waren also nur dem Kaiser untertan und der hatte de facto recht wenig zu sagen, aber ohne das HRR wären diese Städte eben doch unter der Fuchtel eines schärfer hinsehenden Fürsten gewesen. Ein sehr delikates chaotisches Gleichgewicht eben.


    @wodan2
    Daß der dänische König was gegen die Hanse hatte, ist mir völlig klar. Schließlich hat er zwei Kriege gegen sie verloren. :D Es ist nun einmal so mit solchen Vereinigungen. Wer drin ist, dem geht es besser. Schon einmal darüber nachgedacht, daß die einzigen, die in Deutschland in den letzten Jahren Reallohnsteigerungen gehabt haben, die Manager und die Gewerkschaftsmitglieder waren?
    Auch in Deutschland war die Hanse wahrscheinlich nicht unbedingt beliebt - bei denen, die nicht drin waren. Nicht umsonst hat sich das Schimpfwort "Pfeffersack" für die reichen Hansekaufleute gebildet, egal ob sie aus Köln oder Lübeck kamen. Und die Sage, daß die Lübecker bei einer Belagerung eben Marzipan aßen, als das Brot alle war, kommt auch aus der gleichen Ecke. In den osteurpäischen HanseStädten wird sie wahrscheinlich sehr beliebt gewesen sein ...


    Anakin
    Die Hanse hatte mehrere Wurzeln, von denen es gut möglich ist, daß eine in Visby lag. Eine andere war der Stalhof in London, der ursprünglich eine Niederlassung Kölner Kaufleute gewesen ist. Diese Aktivitäten sind mit der Zeit zusammengewachsen.

  • Mann sollte erwähnen das die Hanse zur zeit der Goldenen Bulle ca. 100 Jahre geschicht hinter sich gebracht hatte. Die hanse war aber bei weitem kein einhietliches Politisches gebilde. Die Städte wrbeiteten zusammen oder gegeneinander je nach Lage. Die Kriege gegen Dänemark waren nur möglich weil die gemeinsamen Interessen stärker als die internen Konflikte waren. Für die meisten Kaufleute ist Krieg nicht grade gewinnbringend.


    Die Intressen der Hanse laden vorwiegend in der Ost- und Nordsee während das HRR sich eher nach süden und Osten orientierte. Daher konnte mann relativ konfliktfrei zusammen leben. ;)

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  • "Die Hanse", die 1356 bereits 100 Jahre hintersich gebracht hat (in ihren Anfängen sogar 200) war zuerst eine Vereinigung von Kaufleuten. Die Städte als solche wurden erst mit der Zeit hereingezogen und 1356 hat sich die Hanse als Städtebündnis - und eben nicht mehr Kaufmannsbündnis - "offiziell" dargestellt.


    Dein letzter Satz, Builder, klingt so, als ob die Hanse irgendetwas obrigkeitliches an sich hatte, was von der Struktur her dem HRR in die Quere kommen könnte. Das war aber nicht so. Die Hanse hatte niemals z. B. irgendeine Gerichtsbarkeit verliehen bekommen. Die Hansestädte waren auch ihren Landesfürsten durchaus untertan, so sie nicht gerade Freie Reichsstädte waren (oder de facto wie Köln bis 1475, weil der Erzbischof zwar offiziell noch Stadtherr war, sich aber nicht hat durchsetzen können).

  • Die Hanse War primär immer ein Händlerbündnis der Städtebund kam hinzu da die Kauleute die Macht in den Städten inn hatten. Die 100 Jahre hab ich angegeben weil ich in meinen Quellen kein offizielles Gründungsdatum finden konnte nur das die Anfäge um 1159 liegen.


    Der Bund war immer recht lose. Oft wurden Boykotte von einzelnen Städten umgangen.

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  • Zitat

    Original von Gesil
    Alles in Allem kann man also sagen, dass sich die Ascaronis wirklich gewissenhaft informiert haben, bevor sie ihr Spiel programmiert hatten. :170: Bis auf die Entdeckung Amerikas und die "gefürchteten Piraten" dürfte also eigentlich so gut wie alles historisch genau bzw. relativ genau sein.


    Neben den Städten, die im Add-On dazugekommen sind und manchmal arg willkürlich gewählt scheinen (Newcastle, Harlingen und Haarlem etwa), ist vor allem das Wirtschaftssystem mit dem Prinzip von Angebot und Nachfrage sehr ahistorisch. Zu Hansezeiten galt eher das Prinzip des gerechten Preises, nachdem eine Ware an einem bestimmten Ort einen bestimmte Preis wert war, unabhängig von der Marktsituation. Auch damit könnte man durchaus eine spannende Handelssimulation aufbauen, nur hat sich Ascaron dann halt doch für die moderne Variante entschieden.

  • Swartenhengst


    Ein System mit statischen Preisen ist wesentlich einfacher zu Spielen. Was bei einer vereinfachung des Handels Rauskommt siehst du in der PR reihe. Du setzt einfach Betriebe und verkaufst mit gewinn. Ohne das ausgefeilte Management das auch die eine oder andere kriese und klippe bildet wäre das spiel längst in den regalen verstaubt. Daher war es gut den realismus nicht zu weit zu Treiben. :P

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